Orangensirup

 

Bald ist die Saison der Zitrusfrüchte wieder vorbei. Äußerst schade, wie ich finde, vor allem deshalb, weil ich das frische Aroma von Orangen beispielsweise im Sommer fast noch lieber mag als im Winter. Klar ist es toll, wenn man sich an grauen, kalten Wintertagen mit einer saftigen Orange einen Hauch Sommerfrische herbei gaukeln kann, aber für mich geht nichts über ein erfrischendes Orangeneis an einem warmen Sommertag. Doch die leckersten Orangen gibt es nun mal – im Winter.

Wie rettet man sich nun aus dieser Misere? Eigentlich ganz einfach, indem man das Orangenaroma konserviert. Und zwar mit einem ganz einfach herzustellenden Orangensirup. Der darin enthaltene Zucker macht den Sirup ohne Weiteres einige Monate haltbar, ganz wie bei einer Marmelade. Schonendes Einkochen über mehrere Stunden bei milder Hitze erhält die flüchtigen Aromen und sorgt für den vollen Geschmack reifer Orangen.

Doch stellt sich dabei die Frage: woran erkenne ich beim Einkauf eine besonders saftige, reife Orange? An der satten orangen Farbe der Fruchtschale, möchtest du mir zurufen? Mööööp, falsch! Und wenn wir der richtigen Antwort auf diese Frage auf den Grund gehen wollen, setz dich vorher. Denn du wirst überrascht sein, wie sehr wir Verbraucher uns selbst bei so einem einfachen Produkt wie einer Orange verkackeiern lassen.

[sam id=“14″ codes=“true“]Wann ist eine Orange orange?

Orangen, die beispielsweise im Süden Europas (aber genauso in Florida, Brasilien oder im Iran) den ganzen Tag in der Sonne reifen dürfen, entwickeln in ihrer Schale jede Menge Chlorophyll. Dieser auch Blattgrün genannte natürliche Pflanzenfarbstoff ist, wie der Name schon sagt, grün und sorgt für die typische, vorherrschende Färbung unserer Pflanzen. Die Blätter fast aller Bäume sind grün, die Nadeln der Nadelbäume, die Gräser und auch – die Orangen.

Unreife Tomaten und unreife Erdbeeren sind auch grün. Beide verlieren bei der Reifung aber ihre grüne Färbung (das grüne Chlorophyll wird abgebaut), leuchten dann aufgrund anderer, ebenfalls in der Schale vorhandener Farbpigmente in sattem Rot und signalisieren uns: ich bin reif und schmecke umwerfend lecker, vernasch mich!  Und genau da liegt der Hund begraben. Die Orange baut bei ihrem Reifungsprozess das Chlorophyll nämlich erstmal nicht ab und bleibt grün. Erst spätere Früchte der Saison, die genügend kühle Nächte (unter 12 °C) abbekommen, verlieren ihre grüne Farbe und werden orange. Der deutsche Verbraucher aber, dem eine grüne Orange vorgesetzt wird, verbindet damit „sauer und unreif“ und sucht das Weite.

Schon Mitte des letzten Jahrhunderts wurde an der University of Florida geforscht, wie man die reifen, aber noch grünen Orangen Floridas (wo es fast nie kälter als 12 °C wird) so behandeln kann, dass sie orange und damit für den Verbraucher attraktiv werden. Und das entwickelte Verfahren wird bis heute auch von unseren südeuropäischen Nachbarn angewandt, um uns die Früchte in der uns lieben Farbe liefern zu können. Einfach mal gut Durchkühlen (auf unter 12 °C) der gepflückten Früchte hilft nichts, das funktioniert nur am Baum. Zitrusfrüchte gehören wie Erdbeeren, Himbeeren oder Trauben zu den nichtklimakterischen Früchten, d. h. sie reifen nach dem Pflücken nicht nach.

[sam id=“13″ codes=“true“]Wenn Optik vor Geschmack geht

Also bedient man sich einer anderen Methode: man begast die Früchte in speziellen Behältern bei ca. 30 °C mit Ethen, einem beim natürlichen Reifungsprozess von Früchten beteiligten Pflanzenhormon. Und schwupps – wird das grüne Chlorophyll abgebaut und die die Früchte leuchten orange, wie vom Verbraucher erwartet. Ist doch toll, sagst du? Ich sage dir, du kennst den Rest der Geschichte noch nicht!

Derart begaste Orangen verlieren an Aroma, an Säure und an Saftigkeit. Die Früchte schmecken schaler, wässriger, haben eine strohigere Textur und – zu allem Überfluss – verderben schneller. Diese geschmacklichen Einbußen werden jedoch vom Verbraucher zugunsten des gefälligeren Äußeren hingenommen.  Die entgrünte Schale ist anfälliger für Keime und Pilzbefall. Na und? Dafür bekommt die Orange ja anschließend extra eine hübsche, mit tollen Pilzvernichtungsmittteln versetzte Wachsschicht verpasst. Und da die Orangenschale beim Begasungsvorgang die unterschiedlichsten Schäden nehmen kann (zum Beispiel hässliche braune, eingesunken wirkende Flecken), werden die Früchte noch mit weiteren Substanzen aufgehübscht, von denen du ja gar nichts wissen magst. Hauptsache, die Optik stimmt.

Und es geht noch schräger: Die Orangenbäume werden geringelt und gewürgt. Dabei wird entweder ordentlich Rinde am Stamm der Bäume entfernt (ringeln) oder mit einem Draht eingeschnitten (würgen). Die Bäume, dadurch ihrer Energie beraubt, bringen ihre Früchte zur Notreife – mit einem satteren Orange am Ende der Begasung als sonst üblich. Und wann die Früchte überhaupt reif werden, auch das weiß der Mensch zu steuern. Indem er spezielle Hormone oder einfach Nitrat über den Bäumen versprüht, kann der Reifeprozess verlangsamt und die Saison hinausgezögert werden.

Ist dir der Appetit auf Orangen vergangen? Das wollte ich nicht! Zumindest nicht der Appetit auf alle Orangen. Nur auf die derart aufgehübschten, mit Fungiziden vergifteten und ihrem tollen Geschmack beraubten Früchte. Kauft unbehandelte, optisch nicht so schöne Orangen, erst recht wenn sie grün sind, und genießt dieses unglaubliche, volle Aroma!

Und wenn du nun wissen möchtest, weshalb meine Orangen auf dem Foto oben so eine schöne orange Färbung haben? Nun, das sind unbehandelte sizilianische Orangen, die erst vor ein paar Tagen nach Deutschland gefahren wurden. Diese nun schon recht spät gereiften Früchte haben auch auf Sizilien genug kühle Nächte abbekommen und konnten so auf ganz natürliche Weise ihre typische Färbung erlangen.

[sam id=“12″ codes=“true“]Orangensirup Rezept

Genaue Mengenangaben kann ich dir heute nicht liefern. Aber du schaffst das auch so, vertrau mir. Reibe die gesamte Schale aller Orangen mit einer Zitrusreibe, besser einem RazorTech oder einer Microplane ab. Vermeide dabei das bittere Weiße der Schale, wir wollen nur die oberste, orange (oder grüne) Schicht. Dann presse alle Orangen aus und gib Saft und Schalenabrieb in einen großen Topf. Bei mir waren das ca. 1,7 l Saft. Nun reduziere diesen Saft bei milder Hitze, bis ca. 4/5 der Flüssigkeit verdunstet sind. Je langsamer, desto besser! Auf keinen Fall kochen, nur leide simmern, um möglichst wenig der flüchtigen Aromen zu verlieren. Das kann, je nach Saftmenge, schon ein paar Stunden dauern.

Gib nun Zucker dazu und rühre so lange, bis er sich vollständig aufgelöst hat. Passiere dann die Mischung durch ein feines Sieb. Drücke dabei den Schalenabrieb kräftig aus, um möglichst keinen Milliliter des kostbaren Sirups zu verlieren. Bei mir war es genau 1 kg Zucker, und übrig blieben nach dem Passieren 1,2 l Sirup. Den Sirup kannst du nun heiß in Marmeladegläser füllen und diese verschließen, ganz wie bei Marmelade eben. Merke dir das Verhältnis von gewonnenem Sirup zu enthaltenem Zucker, damit du bei späterer Verwendung die Süßkraft einer bestimmten Menge des Sirups ungefähr einschätzen kannst. Der Orangensirup hält sich in den Gläsern in jedem Fall bis in den nächsten Winter, wenn es wieder frische, reife und vielleicht ein wenig grüne Orangen geben wird.

17 Kommentare zu „Orangensirup“

  1. Und da ist er, der angekündigte und mit Spannung erwartete Orangenbeitrag. Danke lieber Dirk für diesen ausführlichen Bericht, ich hatte mal wieder keine Ahnung… Grüne Orangen! Kulinarische Bildung am Abend.
    Dein Sirup sieht richtig klasse aus, in meinem Kopf explodieren gerade die Ideen, wozu ich den gebrauchen könnte. Mmmh!

  2. Ne super Idee, Dirk. Irgendwie bin ich im Winter noch nie auf die Idee gekommen, Sirup zu kochen 🙂 Im Sommer – klar, keine Frage: mein Keller ist noch voll mit Holunder- und Rhabarbersirup-Flaschen. Also wandert der Orangensirup auf meine „Ganz-bald-Nachkoch-Liste“ 🙂
    Liebe Grüße
    Julia

  3. Bravo!!! Da war aber jemand fleißig 😉 Hier in Spanien sagt der Bauer: Die Orangen werden erst orange, wenn zwischen Tag- und Nachttemperatur ein Unterschied von 15ºC besteht. Das ist anders ausgedrückt genau das, was die Wissenschaftler sagen. Im Oktober haben wir tagsüber oft noch 28ºC und nachts sinkt das Thermometer auf 12ºC oder etwas weniger. Die Orangensaison in Spanien ist erst gegen Ende Mai/Anfang Juni zu Ende. So fängt die Saison für die Navelate oder die Naranja Washington jetzt erst an, die für die Valenciana late sogar erst im April. Die Ricalate gibt es soagr noch im Juli. Übrigens: Das Wort Orange stammt vermutlich aus dem Sanskritwort nagarañja was „von Elefanten bevorzugte Frucht“ bedeutet 😉

  4. Zitrus-Rezepte allerorten derzeit – lange wird es nicht mehr dauern, bis ich mich auch an das eine oder andere Curd- oder Tarte- oder eben Sirup-Rezept mache. Dein sizilianisches Gold hier sieht auch ganz hervorragend aus! Den Sirup hätte ich gern als Nachtisch (mit Vanille-Eis?) zu unserer Trüffelei gehabt – noch so eine schöne Sache, deren Saison bald zu Ende gehen wird. Lieben Gruß!

  5. Da spare ich mir doch glatt das abendliche Bildungsfernsehen und bilde mich lieber bei dir.
    Ich koche gerade aus den letzten Bitterorangen Marmelade….bin also absolut passend dabei!
    Orangensirup brauche ich oft…Crêpe Suzette…ein Lieblingsdessert von mir! 🙂

  6. WoW!
    Der Sirup sieht so fantastiggerisch aus!!!
    Und der Bericht…. nee, das hab ich auch noch nicht gewusst… Danke für`s Aufklären.
    Und das Möööp, das war echt gut!
    Ganz liebe Grüße… Katja

  7. Pingback: Schmausepost vom 22. Februar 2013 - Newsletter | Schmausepost

  8. Liebe Verena, lass ruhig explodieren, ich bin sehr gespannt auf deine Odeen bzw. Rezepte! 🙂

    Liebe Marie, ich danke dir, das freut mich! Hätte früher nie gedacht, dass Orangen so vielseitig verarbeitet werden können…

    Lieber Andy, mit dir habe ich eh noch eine Rechnung offen 😉

    Liebe Julia, dafür habe ich noch nie einen Hollunder- oder Rhabarbersirup gemacht…. Aber danke für die Tipps. Kann es kaum erwarten, bis Rhabarberzeit ist, um erst den Sirup und dann ein leckeres Eis daraus zu machen… 🙂

    Liebe Ela, das freut mich besonders, wenn dir meine Fotos gefallen! 🙂

    Liebe Margit, super, dein Input hier, ich danke dir dafür! 🙂 Zum Glück weiß ich nun auch von der Möglichkeit, direkt in Spanien bzw. Mallorca Orangen zu bestellen. Die werde ich nutzen!

    Liebe Claudia und Arne, euren Blog kannte ich noch nicht, schön euch hier zu treffen! Falls ihr eine Eismaschine habt, dann gebt den Sirup lieber IN das Eis. Das ist eigentlich der Haupt-Verwendungszweck für meinen Sirup… 😉

    Liebe Sybille, hab gerade deine Tofuaktion bewundert, Hammer, sag ich nur. Orangenmarmelade will ich dieses Wochenende auch noch machen, leider habe ich nur die „normalen“ Orangen hier, keine Pomeranzen. Dafür werd ich sie mit Whisky verfeinern und hoffen, dass sie auch schmeckt 🙂

    Liebe Katja, freue mich über deinen Besuch hier! Und extra für dich noch einmal: Möööööööööp 🙂

    Liebe Frau Bunt, ich bin schon gespannt auf das Ergebnis. Lass hören wie er geworden ist!

  9. Guter Bericht. Der Sirup ist sehr fruchtig und vielfältig einsetzbar. Die Kochzeit war extrem lange, 18 Stunden auf sanftester Flamme. Das lohnt sich, wenn meine Quellen auch nur Direktsaft erlaubten..Natürlich sind frische Orangen die bessere Wahl, doch wenn man was geschenkt bekommt, muß es halt auch so gehen…

    Sonnige Grüße

    WN

  10. hallöchen,
    ich werde ende nächster woche wieder über die orangenbäume meiner nachbarn in marzamemi herfallen. :o))) die für mich beste sorte ist neben brasiliana immer noch *siracusana*.
    gut das ich bisher noch nicht erlebt habe, wie die orangenbäume behandelt werden. es ist schon furchtbar mit anzusehen, wie die oliven von den bäumen geschlagen werden. wir bevorzugen die handlesung.
    tanti saluti di sicilia
    Helika

  11. Pingback: Orangentarte

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